„Suleiman the Magnificent, the most powerful ruler in the world, was determined to conquer Europe. Only one thing stood in his way: a dot of an island in the Mediterranean called Malta, occupied by the Knights of St. John, the cream of the warriors of the Holy Roman Empire. A clash of civilizations the likes of which had not been seen since Persia invaded Greece was shaping up. Determined to capture Malta and use its port to launch operations against Europe, Suleiman sent an armada and an overwhelming army…“
(Bradford, Great Siege, Klappentext)
The Great Siege – die Große Belagerung La Vallettas im Jahre 1565 durch die Osmanen ist das zentrale historische Thema mit dem der Besucher auf Malta konfrontiert wird. Bücher, Museen, Gedenktafeln und sogar Kinovorstellungen behandeln die mehrmonatige Abwehrschlacht des Johanniterordens und dessen darauf folgenden Aufstieg zu einem territorialen Machtfaktor im Mittelmeerraum. Eine gewaltige Merchandisingmaschinerie vermarktet von der Weinflasche mit Malteserkreuz bis zum Plastikritter die berühmten und berüchtigten ehemaligen Herrscher der Insel. Ganz im Schatten dieser jüngeren Geschichte steht das eigentliche Juwel Maltas: seine prähistorische Kultur und deren bekannteste Proponenten – die „Fat Ladies“.
Erste Siedlungsspuren lassen sich auf Malta und der Nachbarinsel Gozo ab etwa 5200 v. Chr. nachweisen. Diese Siedler der Jungsteinzeit dürften aus Sizilien eingewanderte Ackerbauern gewesen sein. Vermutlich wohnten sie in kleinen einfachen Hütten mit Steinfundamenten wie sie nahe der Ausgrabungsstätte Skorba gefunden wurden. Neben zahlreichen Tonscherben stieß man bei den Grabungen auch auf Werkzeuge aus Obsidian, welche bereits auf ausgedehnte Handelsbeziehungen schließen lassen, da die nächsten Vorkommen dieses harten vulkanischen Gesteins auf den Inseln Lipari bzw. Pantelleria zu finden sind. Auffällig für diese frühe Phase der prähistorischen Kultur Maltas sind die ersten kleinen Tonfiguren mit weiblichen Geschlechtsmerkmalen, die möglicherweise auf einen frühen Kult rund um eine weibliche Gottheit deuten könnten (Tagliaferro, Malta, S. 12).
Um 4000 v. Chr. zeugt ein veränderter Keramikstil (Zebbug Keramik) von der Ankunft neuer Siedler aus Sizilien. Auf der Insel Gozo zeigten Grabungen nahe des Ortes Zebbug, dass Tote nun nicht mehr verbrannt wurden, sondern in eigens geschaffenen Höhlengräbern bestattet wurden. Vielleicht unter dem Einfluss dieser neuen Siedler beginnt sich um 3600 v. Chr. schließlich die Siedlungsgenese der Insel massiv zu verändern. Neben den kleinen Wohnhäusern werden nun erste große, zum Teil mehrstöckige, Gebäude errichtet – die sogenannten Tempel (Tagliaferro, Malta, 12-24). In der mündlichen Überlieferung wurden diese großen Strukturen lange Zeit als das Werk von Giganten gesehen. Nach einer von der Insel Gozo stammenden Legende soll eine Riesin, die nur Ackerbohnen und Honig aß, die Tempel errichtet haben, während sie auf ihren Schultern ein Kind trug, das sie von einem Menschen empfangen hatte (Soldanis, Gozo e Malta, 86-88). Auch der Name der ersten berühmten Ausgrabungsstätte auf Gozo, Ġgantija, dürfte sich von diesem Mythos ableiten.
In den folgenden Jahrhunderten (Ġgantija-Phase 3600-3000 v. Chr und Tarxien-Phase 3000 v. Chr. – 2500 v. Chr.) wurden die Tempelanlagen immer weiter verfeinert. Die häufigste Bauform dieser Zeit waren Tempel, die aus drei bis fünf Apsiden bestanden und auf natürliche Art und Weise in die Geländeformen eingefügt wurden, ohne größere Fundamentierungsarbeiten durchzuführen (Freeden, Megalith-Tempel, 67-69), denn die Kenntnis der echten Funktion eines Fundamentes scheint noch nicht vorhanden gewesen zu sein. Beispiele dieser Vorgehensweise sind die direkt an der Südwestküste gelegenen Tempelanlagen von Ħaġar Qim und Mnajdra, die sich perfekt an die natürlichen Bodenmulden und das abfallende Gelände anpassen und trotzdem ganz im Sinne der Landschaftsarchitektur markante Punkte im Gelände einnehmen, welche bereits von weitem sichtbar sind.
Als Baumaterial werden einerseits Kalkbruchsteine, die zu Trockenmauern geschlichtet werden, andererseits aber auch gewaltige Megalithen verwendet. Zur Stabilisierung der Strukturen wurden kleine Zwischenräume häufig mit Erdmauerwerk gefüllt. Die megalithischen Werksteine dürften aus natürlichen Sedimentgesteinen herausgearbeitet geworden sein, die sich von freiliegenden Felsschichten ablösten. Die Platten wurden vermutlich auf Kugeln oder Rollen aus Holz bzw. Stein zu den Tempeln transportiert und erreichten Ausmaße von bis zu 6,4m x 3m. Umfangreiche Widerlager stützten diese großen Steinplatten. (Freeden, Megalith-Tempel, 81-85). Die Wände der Tempel waren häufig verputzt und mit roter Ockerfarbe bemalt, die Fussböden waren gepflastert. Teile der Tempel waren mit Vorformen des heutigen Gewölbes, sogenannten Kraggewölben oder auch falschen Gewölben (auskragende Steine rücken immer weiter aufeinander zu), überdacht. Der Gewölbeabschluss dürfte aber mit Holz und Lehm ausgeführt worden sein, um den Druck auf die tragenden Mauern zu verringern (Trump, Prehistory, 196f).
Ein weiteres Charakteristikum der Tempel sind die trilithischen Torbauten der Ausgrabungen von Malta, deren Aufbau aus zwei großen Tragsteinen besteht, auf denen ein großer Deckstein ruht. Ein besonders schönes Beispiel einer solchen Konstruktion, der Tempeleingang von Mnajdra wurde auch auf der maltesischen 5 Cent Münze verewigt. Bemerkenswert sind auch die zahlreichen Verzierungen, die an großen Mauersteinen, Megalithen, Türstürzen und Altarsteinen gefunden wurden. Sie reichen von einfachen gepunkteten Oberflächen bis zu deutlich komplexeren symmetrischen Spiralmustern und der Darstellung von Tierprozessionen im Tempel von Tarxien, der zusammen mit dem Hypogäum von Ħal-Saflieni (unterirdische Grabstätte und Heiligtum) den Höhepunkt der Tempelkultur auf Malta markiert (Trump, Prehistory, 90ff).
Neben den Darstellungen von Tierprozessionen, der Ausrichtung der Tempel, den zahlreichen Altarsteinen und der Form der Tempel deutet vor allem die Fülle an Statuen und Statuetten auf den kultischen bzw. religiösen Charakter der Gebäude hin. Denn wie schon bei den Ausgrabungen zur Frühzeit der maltesischen Kultur stießen die Archäologen auch bei den Gebäuden der Tempelperiode auf zahlreiche steinerne Gottheiten. Bis zu 3m hoch dürften manche der Statuen gewesen sein. Einige von ihnen wurden an zentralen Plätzen in den Tempeln, andere wiederum gut versteckt in Nischen gefunden. Zwar fehlen bei den meisten Statuen eindeutige Geschlechtsmerkmale, doch die runden Formen deuten wie in anderen steinzeitlichen Kulturen eher auf weibliche Fruchtbarkeitsgöttinnen hin, weshalb sie wenig vornehm auch als „Fat Ladies“ bezeichnet werden. Charakteristische Merkmale dieser Muttergöttinnen (Magna Mater) sind die kleinen dünnen Füße, auf die mächtige Unterschenkel und enorme Hüften folgen, die von einem Rock bedeckt werden. Sie stellten das offensichtliche Schönheitsideal der Tempelperiode dar (Trump, Prehistory, 94-104):
„If one disregards modern standards of female beauty, and judges them only on their artistic merits these carvings are superb. In their balance of swelling shapes, with their omfortable solidity, they are works of art of a high order, even if they would score poorly in a twenty-first-century beauty contest.“
(Trump, Prehistory, 99)
Um 2500 v. Chr. verlieren sich die Spuren dieser großen Kultur. Wie so häufig in der Erforschung prähistorischer Siedlungen ist aufgrund mangelnder schriftlicher Quellen das Verschwinden der Tempelkultur nicht gänzlich zu erklären. Möglicherweise führten Klimaveränderungen und Überbevölkerung einhergehend mit ausgedehnten Rodungen zu einer verstärkten Verkarstung der Inseln, welche nun nicht mehr genügend fruchtbare Flächen für den Ackerbau bieten konnten. Neue Siedler, die ihre eigenen Glaubensvorstellungen mitbrachten, könnten den Zusammenbruch des Kultes und somit der Kultur beschleunigt haben. Auch wenn die Tempel zum Teil als Begräbnisstätten und temporäre Behausungen weiterverwendet wurden, scheint ihr religiös-ritueller Charakter weitgehend verloren gegangen zu sein (Freeden, Megalith-Tempel, 35-40).
4500 Jahre später erinnern nur mehr die Überreste der prächtigen Bauten an das Zeitalter der Fat Ladies von Malta. Mittlerweile wird deren Bedeutung auch von der UNESCO gewürdigt, die 1980 Ġgantija und 1992 alle anderen bedeutenden Tempel der Inseln Malta und Gozo zum Weltkulturerbe ernannte.
Literatur:
Ernle Bradford, The Great Siege: Malta 1565, Hertfordshire 1999.
Evans, J.D.,The Prehistoric Antiquities of the Maltese Islands: A Survey, London 1971.
Joachim von Freeden, Malta und die Baukunst seiner Megalith-Tempel, Darmstadt 1993.
Rainer Gippert, Malta. Ur- und frühgeschichtliche Denkmäler, Kindle Edition, 2013
Agius de Soldanis. G.P.F., Il Gozo Antico-moderno e Sacro- profano, Isola Mediterranea adiacente a Malta Africana, 1746, S. 86-88.
John Samut Tagliaferro, Malta – Archäologie und Geschichte, o.O. 2000.
David H. Trump, Daniel Cilia, Malta Prehistory and Temples, 3. Auflage, Malta 2008.
Themistocles Żammit, Prehistoric Malta, The Tarxien Temples, Oxford 1930.